Tagebuch




Free Beer, Wine & Chicken Wings …

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Jürgen bei der "happy hour" im La Fuente Motel Yuma, AZ

Da sitzen wir um 17:00 Uhr im Aufenthaltsraum des „La Fuente“ in Yuma, Arizona und lassen uns Wein, Bier vom Fass und Chicken Wings und salty Popcorn schmecken - das gibt’s nämlich als Service des Hauses „for free“ zur happy hour. Klasse!

Weniger „happy“ sind die Nachrichten, die da über den omnipräsenten Fernseher flimmern: da hat doch so ein Irrer gestern Abend in Las Vegas aus seinem Zimmer im Mandala Bay Hotel am Strip auf ein Open-Air-Country Konzert (Jason Aldeen - ein auch von uns geschätzter Musiker) geschossen und ein blutiges Massaker angerichtet. Ich hatte das heute Nacht schon auf dem iPhone gesehen. Traurige Bilanz bis jetzt: 59 Tote und 527 Verwunderte. Gerade interviewen sie den Bruder des Täters - bei uns sicher nicht denkbar. Traurige Welt mit irren Typen - aber wie soll man so was sicher verhindern?? Klar: mehr Sicherheitsvorkehrungen; aber damit geht ein ganzes Stück von dem verloren, was wir alle so lieben: leben in einer freien, möglichst unkomplizierten Welt.

Anderes Thema - aber gar nicht so weit weg: eigentlich hätte dieser Tag auch „Wir sind im Knast!“ überschrieben sein können - denn das waren wir wirklich. Erschien mir aber nicht passend, denn auch dieser sehr interessante Museumsbesuch hatte seine „da müssen wir mal schlucken“-Momente. Fangen wir vorne an:

Vor und nach dem Frühstück in Tucson kümmern wir uns um Fotos und Tagebuch. Das war gestern Abend einfach nicht mehr möglich, denn wir waren nach der Hitzeschlacht echt „auf“.

Der Weg nach Yuma ist einfach und in 3,5 Stunden erledigt. Tempomat rein und los. Erst gut 80 km, dann abbiegen, nochmal 280 km und dann sind wir da. Zwischendrin nur ein kurzer Stop an einer „Tankstelle“ - Kaffee fassen und Restroom nutzen - mitten im nirgendwo an der Interstate 8, hier ist die Welt scheinbar zu Ende. Ab und zu fegt ein roter Sandsturm über die Bahn - sonst nur Weite, Leere, Saguaros und ab und zu eine intensiv bewirtschaftete Farm.

Immerhin stimmt die Musik. Unser 4 Monate alter Nissan ist in ausgezeichneter Form und eines seiner besten Ausstattungsmerkmale ist „Sirius-Radio“. Das ist Digitalradioempfang, den man normaler Weise bezahlen muss. Und da hören wir täglich diverse Countrysender. Aktuell scheinen Hits zu sein, in denen „Whisky“ vorkommt. Ganz vorne: „Whisky’s fine“ (finde ich auch) und „If my name were Whisky“. darauf lässt sich aber auch klasse reimen: „kiss me“, „with me“, „miss me“! Die Titel laufen bestimmt 1x pro Stunde hintereinander.

Um 14:00 Uhr sind wir im Motel und bekommen überraschend ein kostenloses Upgrade auf eine Suite. Fein: Wohnraum mit Küche und Fernseher, Schlafraum mit weiterem Fernseher, Bad. Die Anlage ist wirklich sehr schön mit grünem Innenpark und Pool. Un dann noch der Service mit der happy hour - das gefällt uns.

Wir skypen mit Birgit, die noch wach ist - morgen ist Feiertag in Germany.

Dann fahren wir 5 Minuten mit dem Auto zum „Prison Hill“. Hier befindet sich der „Yuma Territorial Prison State Historic Park“ - ein Gefängnismuseum in den Überresten eines ehemaligen Gefängnisses für Schwerverbrecher. „Hell Hole“ wurde die 1875 eröffnete (sagt man so?) Anstalt auch genannt. Das Höllenloch hatte seine ganz speziellen Schrecken: mitten in der Wüste gelegen und damit ganz sicher „höllisch heiß“. Ein Aufenthalt hier war ganz sicher eine Qual. Zumal sich in der Regel 6 Gefangene eine enge Zelle teilen mussten. Aber auch das Entkommen - also jede Flucht, von denen nicht viele gelangen - endete in der heißen Wüste. Überlebenschance: null!

Das Museum ist wirklich sehr zu empfehlen, da es alle Facetten zeigt und das sehr informativ. Auch hier hängt (wie überall wegen Las Vegas) die Flagge auf Halbmast. Wir schauen uns einen kurzen Film über die Geschichte der Anlage an und besichtigen dann die diversen Ausstellungsstücke sowie die Anlage. Alles sehr anschaulich, gut beschrieben und informativ. Aber auch: gruselig. Neben den an sich schon heftigen Aufenthaltsbedingungen gab es nur 2 „Bestrafungen“ für ungebührliches Verhalten: die Kugel am Bein und die „Dark Cell“. Kugel am Bein kann sich jeder vorstellen.

Die „Dunkelhaft“ wurde in einer finsteren Zelle vollstreckt. Dort drinnen befand sich ein Käfig (heute gibt es einen Nachbau dessen draussen), in dem der Häftling alleine oder mit mehreren für einen Monat eingesperrt wurde. Kein Licht, keine Latrine, ein Mal am Tag Wasser und Brot. Das wars. Ach nein: hin und wieder machten sich die Aufseher einen „Spaß“ und schmissen einen Skorpion oder eine Schlange in das dunkle Loch. Wir müssen heute nur darauf achten, die Fledermäuse nicht zu erschrecken, die die finstere Höhle zu ihrem Lebensraum gemacht haben.

Es gab auch eine Gefängnisband und weibliche Inhaftierte. Eine hat hier sogar ein Kind zur Welt gebracht. Kein optimaler Start ins Leben. Der ein oder andere wurde hier auch gehenkt. Anschaulich wird die Prozedur beschrieben, inklusive Seil.

Uns die Gefängniskluft anzuziehen und ein „Aufnahmefoto“ inkl. Gefangenennummer zu machen, ersparen wir uns - zu makaber, wie wir finden.

Andererseits: was die Leute (und insbesondere auch die Frauen) teilweise verbrochen hatten, geht auch auf keine Kuhhaut. Zumindest von den beispielhaft im Museum aufgeführten Fällen kann man sagen, dass sie zu Recht eine Gefängnisstrafe verbüßten. ich habe bei den Fotos einige Beschreibungen eingefügt, wer die Nerven hat, kann ja mal übersetzen. Hier erspare ich euch das.

Das Gefängnis wurde jedenfalls kurz nach Beginn des 20. Jahrhunderts aufgegeben, weil die neue und heute unübersehbare Eisenbahnbrücke über den Colorado Platz beanspruchte. Witzige Anekdote am Rande: immer wenn du hier auf dem Highway eine „aktive“ Strafanstalt passierst, wird davor gewarnt, Anhalter mitzunehmen („to pick up Hitchhiker“). So viel zum Vertrauen in die eigenen Gefängnisse.

Anschließend fahren wir noch zur „Historic Downtown“ von Yuma. Die ist gut zu finden und die Mainstreet ist eine überschaubare, breite Straße mit genügend freien Parkplätzen. Unser Vorsatz: eine Straßenseite hin, andere zurück. Gesagt - getan!

Das schaut eigentlich alles ganz nett aus: sauber und hier sind viele ansprechende Geschäfte. Aber: wo sind andere Menschen? Fehlanzeige! Nichts, niemand! Da: draussen vor einem Restaurant sitzen vier Leute - aber sind die echt? Links ab: „Historic Main Street“ ,mit schnuckeligen Geschäften. Aber auch hier: niemand. Gut, die Öffnungszeiten sind sehr überschaubar: von 11 bis 16 Uhr, also gerade mal 5 Stunden pro Tag. Die Arbeitszeiten kann man sich gefallen lassen. Weiter: vielleicht sind alle in diesem riesigen Kino? Who knows?

Oder ist es denen draussen nur zu warm? Also gehen wir in so eine klimatisierte Shoppingzeile. Wiederum sehr schöne Läden, aber: keine Leute. Öffnungszeiten laut Aushang 10 bis 16 Uhr, sonntags und montags geschlossen. Ah - heute ist Montag! Aber es sind doch Geschäfte geöffnet, nur ist niemand drin. Vielleicht sind die alle eingesperrt - der Gefängnisbesuch wirkt nach. Immerhin gibt es hier eine „Prison Hill Mikro Brewery“.

Ich glaube ich habe die Lösung: die sind bestimmt alle in den Kneipen und „Wine Cellars“ - das sind die einzigen Orte, in die wir nicht reingeguckt haben.

Da bei uns im Motel gleich die happy hour anfängt, reisen wir ab. Schön war es dennoch. So heute passiert nicht mehr viel. Habe gerade wieder ein frisches Bud vom Fass bekommen und belohne mich gleich noch mit weiteren Chicken Wings. Auf dem Zimmer haben wir noch Nachos und Salsa, die fahren wir schon seit Palm Springs spazieren und so langsam müssen wir da mal drangehen, denn mit in den Flieger können wir die nicht nehmen. Zwischen uns beiden ist das schon ein „running gag“: HEUTE essen wir aber mal Nachos & Salsa.

Vielleicht klappt das ja wirklich und evtl. springe ich noch in den Pool gleich. Morgen fahren wir nach San Diego und lassen den Urlaub am Pazifik ausklingen. Bis dann: feel free - nicht unterkriegen lassen von den Idioten, die die Welt immer wieder für eine Zeit aus den Angeln heben wollen und Familien für immer ins Unglück stürzen.

Tagesetappe: 389 Kilometer
Übernachtung: La Fuente Inn & Suites Yuma, AZ
© 2017 Gabi & Jürgen