Tagebuch




Magic Moments

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Gabi am Fathom Bistro, Fishing-Pier, Shelter Isnad, San Diego, CA

Tatsächlich sind wir gestern Abend noch im Dunkeln in den schön beleuchteten Pool gehüpft und haben dort ein paar Runden gedreht. 3 Damen saßen am Rand und tranken offensichtlich ein Gläschen Wein; kurzer Wortwechsel.

Zurück aufs Zimmer, kurz abduschen und dann wieder runter an den Pool, diesmal mit Nachos, Salsa und unserem gekühlten Sack Weißwein (5 Liter). Die drei Damen stehen jetzt nebenan an der Grillstation und scheinen sich ihr Abendessen zu grillen. Wir brauchen nichts mehr, denn die Chicken Wings eben waren ausreichend und zusammen mit den noch folgenden Nachos sind wir „fine“ for this evening.

Nun muss ich aber doch mal gucken, was die da auf dem Grill haben, also schlendere ich rüber und spreche die drei noch mal an. Sie kommen aus Kanada und wohnen hier für ein paar Tage. Sie sind nicht zum ersten Mal hier und aktuell auf „Zahn-Urlaub“. Ich habe wohl etwas komisch aus der Wäsche geguckt bei dieser Feststellung, deshalb erklären sie es mir: In Kanada sind Zahnersatz und vor allem gute Inlays teuer und qualitativ nicht so hochwertig, wie in manchen Kliniken in Mexico, wo alles zudem noch viel, viel günstiger ist. Nun, die Grenze ist 10 Minuten entfernt und die drei waren heute in Mexiko, um sich tolle Inlays machen zu lassen. Guck mal, smile!

Dabei haben sie gleich Salat und vor allem riesige frische Riesengarnelen auf Eis gekauft, die sie nun auf den Grill werfen wollen. Dumm nur, dass sie keine Gewürze haben. Da kommt Gabi um die Ecke, um zu schauen, wo ich bleibe. Gewürze? Kein Problem, wir haben einiges auf dem Zimmer. Dan präsentiert sie den dreien unseren Weinsack und nach großem Hallo und Gelächter sind wir beste Freunde. Gabi holt die Gewürze, wir grillen das gesamte Zeug, setzen uns zusammen, lassen uns gegenseitig unseren Wein probieren und quatschen. Dabei teilen wir natürlich auch unsere Lebensmittel und reden über Gott und die Welt, was wir so machen, wie unser Urlaub ist etc. Die drei sind schon pensioniert (mit 52!) und sie wundern sich, dass wir bis 67 arbeiten müssen. Fotos werden getauscht und Lieblingslieder vom iPhone vorgespielt. Ein super lustiger Abend in netter Gesellschaft und in einer wirklich für Motelverhältnisse traumhaften Anlage.

Jetzt sind wir vom Frühstück zurück - dieses Motel müssen wir uns merken. Es gab sogar Omelettes. Das Navi ist programmiert und gleich starten wir nach San Diego.

Auch diese Fahrt ist zügig erledigt dank Tempomat. Die Imperial Sand Dunes dienten den Star Wars Filmemachern als Kulisse, wir passieren die riesigen Sanddünen auf der I-8 und achten auf die sandigen Winde, die die Bahn queren. Zwischendurch fangen wir einen Coffee to go. Hier an der Chevron Tankstelle im Nirgendwo gibt es tatsächlich essbare Käfer zu erwerben, gleich an der Theke wie bei uns die Ferrero Küsschen. Daneben befindet sich ein Tütchen mit der Aufschrift: Klapperschlangen-Eier. Ich dürfte mal reingucken, meint der freundliche Tankwart. Tu ich - raus fliegt ein klapperndes Etwas - Scherzartikel! Wir beide reagieren erwartungsgemäß und jedes weitere Aufputschmittel wäre nun unnötig - wir sind hellwach!

Die I-8 wird in Kalifornien flankiert von erneuerbaren Energien: unendliche Felder mit Solarstrompanelen (ok, die Sonne ist hier ein zuverlässiger Partner) und später weite Flächen mit unzähligen Windkraftanlagen. Der Wind fällt hier offensichtlich von der vor uns aufragenden Bergkette herunter - von heftigen Winden wird gewarnt und die merke ich auch am Steuer deutlich.

Die Interstate zieht sich von Meeresspiegelhöhe (jap- die „high desert“ liegt hinter uns) auf über 1.300 Meter hoch. Empfehlung: Klimaanlage ausschalten, um Überhitzung zu vermeiden. Am Straßenrand befinden sich alle paar hundert Meter Wasserbehälter zum Auffüllen evtl. überhitzter Kühlsysteme - vorbildlich!

Wir kommen gut durch und erreichen gegen 12:30 Uhr Das Best Western auf Shelter Island in San Diego. Der Mann am Check in ist freundlich und reagiert positiv auf meine „Best Western-Mitgliedskarte“. Es verspricht uns ein schönes und ruhiges Zimmer mit netter Aussicht. Versprechen gehalten: wir haben einen sehr großen Raum mit den üblichen zwei Riesenbetten und der Balkon gewährt Aussicht auf den Yachthafen. Sehr schön!

Da packen wir doch gleich Nachos und Salsa aus, gießen uns ein Glas Wein ein, skypen mit Birgit und Vater und lassen es uns gut gehen. Super ruhig ist es hier auf Shelter Island, wenig Verkehr, nur die Boote dümpeln im Wasser.

Dann machen wir noch einen Spaziergang rund um Shelter Island. Boote beherrschen hier das Bild; Yachthäfen überall. Gegenüber ist der US-Army-Stützpunkt, die „Naval Air Station North Island“ und es gibt einen schönen Blick auf die Skyline von San Diego. Ein Militär-Hubschrauber kreist immer die gleiche Runde, landet, startet, dreht dir Runde.

Wir gehen noch ein Stück Richtung Festland und kehren im „Harbor Town Pub“ ein, auch weil wir mal dringend einen Restroom benötigen. Hier gibt es zur happy hour für mich zwei „Resident Chasing Citra IPA“ vom Fass. Junge, Junge, das Bier ist „hoppy“ - viel Hopfen, dementsprechend bitter und alkoholreich (alle local Beers haben zwischen 5 und 8,5 %) ohnehin. Wir genehmigen uns zwei Tacos (happy-hour Preis 2 $ und einen Basket Fries - sehr crispy! - gibts gratis dazu) und fühlen uns richtig gut.

Dann zurück zum Motel, da läuft ein riesiges Schiff in den Hafen ein; ich brauche dringend einen Mittagsschlaf. Die Temperaturen sind angenehm warm, aber nicht mehr so heiß wie in der Wüste, vom Meer weht ein leichter Wind. Also mache ich für eine gute Stunde die Augen zu, Gabi genießt derweil die Aussicht vom Balkon.

Um 18:00 Uhr statten wir dem Motel-eigenen Restaurant einen Besuch ab. Auf der Terrasse zum Sonnenuntergang gibt es wieder Weißwein für Gabi und zwei neue Biere für mich: ein „Blood Orange IPA“ und ein „San Diego Pale Ale“. Dazu ein kleiner, aber sehr feiner Snack - großen Hunger haben wir nicht mehr: Hawaiian Shrimps für Gabi und Lachs-Tacos für mich. Kleine Portion, aber selten lecker und fein abgeschmeckt! Etwas kühler wird es hier abends und wir ziehen mal unsere Jacken an, die wir bisher nur beim Ballonfahren benötigten.

Das war es für heute - oder? Am Wasser entlang spazieren wir in Richtung unseres Zimmers. Die Anlage ist groß. Der Hubschrauber dreht noch immer seine Runden, auch jetzt im Dunkeln. Drill-Ausbildung - was anderes kann das nicht sein - seit Stunden geht das so. Nutzt bestimmt.

Da ist der Fishing-Pier und wir beschließen, noch kurz darauf weiter zu spazieren. Oh - ein Bistro für die Angler - mit lokalen Bieren vom Fass! Ein aufmunterndes Schild: „Wohlerzogene Kinder willkommen - andere werden zu Wurst verarbeitet!“. Wir kehren ein und ich fühle mich so nach Urlaub, dass ein weiteres Bier der lokalen Brauereien getestet werden muss, das „Russian River Pliny The Elder IPA“. Großer Name, großer Geschmack - ebenfalls „very hoppy“. Gabi hat ein Apple Cider vom Fass und wir setzen und nach draussen, um den Fischern zuzusehen.

Schön ruhig, schön warm, schön gemütlich! Und am Nebentisch sitz ein älterer Amerikaner. Da kommt ein Schwarzer mit seiner chinesischen Partnerin und fragt, ob sie sich dazu setzen können - obwohl einige andere Tische frei wären? Sie werden mit Handschlag begrüßt und willkommen geheißen: „Hi, I’m Fred - how are you?“ Ich sehe und höre den dreien 10 Minuten lang zu und ich kann euch sagen: das war für mich einer dieser „magic moments“, wie ich sie nur selten erlebe. Ich hatte das mal am Ende einer schönen Reise am Santa Monica Pier in LA. Das ist so ein Moment, in dem du den Eindruck hast, die Welt sei vollkommen im Gleichgewicht. Alles gut, aber richtig gut!

Jetzt ist es wieder so. Das gäbe es bei uns nicht. Wie oft kommt man mit Leuten aus dem eigenen Ort zusammen und spricht nicht miteinander? Jeder immer nur für sich. Und hier: drei Kulturen herzlich vereint, ohne Zwang, ohne Not, aber selbstverständlich. Ich mache noch ein Bild von Gabi und lasse die drei absichtlich unscharf im Hintergrund. Später verabschieden sich die drei wieder herzlich mit Handschlag. THIS made my day! Und das ist in etwa so wie gestern Abend mit den drei Mädels aus Kanada: wildfremde Menschen finden zusammen, weil es so natürlich und schön ist!

Zum Abschluss gehen wir noch ein Stück über den Pier, schauen den Anglern zu, reden mit ihnen. Ich schieße einige Bilder aus der Hüfte; es ist ja rabenschwarze Nacht. Eine Anglerin gibt mir „high five“ als ich ein Bild von ihren Octopus-Ködern mache und sie scherzhaft 5 $ fürs Bild haben möchte. Herrlich! Das ist Kalifornien, hier fühle ich mich wohl!

Mehr ist heute nicht zu sagen - gute Nacht!

Tagesetappe: 291 Kilometer
Übernachtung: Best Western Plus Islands Palms & Marina, San Diego, CA
© 2017 Gabi & Jürgen