Tagebuch




Fort Bowie und die Apachen

20170928_105734_BAE2766
Jürgen auf dem Trail zum Fort Bowie, Apache Pass, AZ

Auch heute morgen hole ich vor und nach dem Frühstück zunächst mal den Tagebucheintrag von gestern nach. Dabei habe ich unterschlagen, dass wir gestern Abend in der Little Toad Brewery ja auch noch zwei Schnäpse hatten. Schließlich ist das dort nicht nur eine Brauerei, sondern auch eine Destille. Gabi nimmt den einzigen Whisky, der auch noch „gealtert“ sein soll. Mal ehrlich: sie haben irgendetwas destilliert, das die Farbe von Whisky angenommen hat und dann so getauft. Selbst der Mekong-Whisky aus Thailand war besser, und das will was heißen. Mein Green Chili Vodka hält, was er verspricht: scharf!

Das Wetter ist hier weiterhin sehr bedeckt und es sieht verdächtig nach Regen aus. Für den Apache Pass, den man nur bei Trockenheit befahren kann und damit auch Fort Bowie sieht es nicht gut aus. Na, fahren wir doch erst mal los; es ist ja eine ganze Strecke.

Und siehe da, als wir Arizona erreichen, lacht uns blauer Himmel entgegen und die Wolken sind flauschig weiß. Also biegen wir von der I-10 ab und nehmen die unbefestigte Straße des Apache Pass zum Trailhead der Fort Bowie National Historic Site unter die Räder.

Fort Bowie ist so etwas wie ein „hike in Park“. Ohne eine Wanderung von 3,5 Meilen ist der Park nicht zu erforschen. Es ist mächtig heiß und ich komme gut ins Schwitzen. Auf dem Friedhof des Forts sehen wir, dass man damals nicht sehr alt wurde. Selbst Kinder sind hier begraben, u.a. ein Sohn des Apachen Geronimo.

Die Hitze schlägt mir auf den Magen und ich bin heilfroh, als wir das Visitor Center mit den besten Restrooms der Welt erreichen. Gabi lernt inzwischen Rangerin Amy kennen, die gerade auf dem Weg ist, zwei neuen Freiwilligen eine Ersteinweisung in die Geschichte des Fort Bowie zu geben. Wir dürfen uns anschließen und bekommen einen Geschichtsvortrag der Extraklasse. Amy ist redegewandt, hat amerikanische Geschichte studiert und ihre Vorfahren waren hier mit Fort Bowie verbunden. Richtig gut!

Das Fort war Mitte des 19. Jahrhunderts richtig groß und das Leben hier bestimmt kein Zuckerschlecken, auch wenn man einiges tat, es den hier stationierten Truppen und ihren Familien schön zu machen. Kneipe, Sanitäranlagen, gute hygienische Verhältnisse, eine Schule für Erwachsene und Kinder, Tennisplätze (!) - sogar eine Eismaschine hatten sie hier.

Aber wie gesagt: das Leben war gefährlich hier und insbesondere die Geschichte rund um den Chiricahua-Apachen Cochise und seine Familie schlägt auf den Magen. Zum Verhandeln war er mit seiner Familie hierher gekommen, wurde gefangen genommen, konnte alleine fliehen und seine Familie blieb als Geiseln zurück. Wie das so ist mit der Gewaltspirale: er nahm auch welche, und die Geschichte endete böse. Die Geiseln auf beiden Seiten wurden umgebracht und es entwickelte sich ein 11-jähriger Krieg zwischen den Apachen und den Truppen, der das Leben hier noch ungemütlicher machte.

Wir hingegen wandern frohgemut zurück zum Auto. Gut drei Stunden haben wir hier verbracht und knapp 8 km zurückgelegt in den heißen Bergen. Über den Apache Pass geht es weiter, tolle Offroad-Strecke!

Dann überlegen wir, ob wir überhaupt noch wie geplant zum Chricahua NM fahren sollen, denn obwohl wir heute mit der Ankunft in Arizona wieder eine Stunde „gewinnen“ wollen wir nicht zu spät auf der Ranch sein. Na gut, einen Abstecher machen wir, zumal der Park auf dem Weg liegt.

Nach dem obligatorischen Besuch im Visitor Center fahren wir den Bonita Canyon Drive bis zum höchsten Punkt auf rd. 2.300 m. Dort drehen wir eine kurze Runde über den Massai Nature Trail und wandern anschließend auch noch ein Stück des Echo Canyon Trail, der uns mitten hinein bringt in die zerborstene Felsenlandschaft.

Um 17:30 Uhr erreichen wir die Tombstone Monument Guest Ranch und werden herzlich empfangen. Kurze Einweisung ins Ranchleben, dann bekommen wir unserer riesiges Zimmer mit Terrasse und Blick auf die Berge. Sehr schön! Die ganze Anlage ist sagenhaft - ich muss morgen mal Bilder machen und ein eigenes Album nur für die Ranch erstellen. Sie ist aufgebaut wie die Hauptstraße des historischen Tombstone und vermittelt echtes Westernfeeling. Dazu die Geräusche der Grillen etc - unbeschreiblich! Yvonne und Alphons vom Ranchhouse Cafe in Eyll haben hier einige Jahre gelebt und gearbeitet.

Abendessen ist hier inklusive und so begeben wir uns um 18:00 Uhr in den Saloon, treffen auf Ricky und Pat aus Alabama und essen gemeinsam mit ihnen griechischen Salat, Chicken Alfredo und einen Pie mit Erdnussbutter zum Nachtisch. Dazu frisch gezapftes Bier und Margarita - die gibt es hier sogar „on tap“, also vom Faß und Zapfhahn.

Gegen Ende des Essens geht die Tür auf und Wyatt Earp steht leibhaftig an unserem Tisch. Er hat jahrelang in der Show zum Shootout am Ok-Coral mitgespielt und teilt uns mit, dass er uns heute Abend das Pokern beibringen wird. Und schon sitzen wir 4 mit ihm am Pokertisch, später kommt noch Tom von der Ranch hinzu. Als erstes bekommen wir alle Western-Namen. Gabi heißt am Pokertisch nur noch "Bad Baetzi" und ich werde "Texas Jack Vermillion" getauft. Zum piepen!

Wyatt erklärt unglaublich gut und wir spielen um Chips - einfach nur zum Spass. Dabei geht er mit uns im Laufe des Abends verschiedene Spielvarianten durch; als Ricks und Pat später zu Bett gehen, drehen alle mächtig auf, insbesondere Gabi, die völlig ausgelassen ist, auch unterstützt durch die Margaritas. Wir erzählen von unseren Reisen, natürlich auch die Story von den unzählbaren Bierflaschen am Vorabend. Uns allen laufen die Tränen über die Wangen und so endet ein unerwartet authentischer „Western-Abend“ mit viel „Spiel“-Witz, neuen Bekanntschaften und dem Gefühl, im Wilden Westen der 1880er angekommen zu sein.

Das wird sich morgen noch verstärken, denn wir haben uns für 09:00 Uhr und 15:00 zu einstündigen „slow-rides“ in die Umgebung angemeldet. Da wird das Cowboyfeeling noch präsenter werden. Wir freuen uns drauf.

Tagesetappe: 354 Kilometer
Übernachtung: Tombstone Monument Guest Ranch, AZ
© 2017 Gabi & Jürgen